5. Juni 2021
Vom Lesemuffel zum Superleser:
Mit Erstlesebüchern und Antolin klappt das
Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie ihr lesen gelernt habt? Vielleicht sogar an jenen Moment, wo es Klick gemacht hat und ihr das Gefühl hattet, jetzt könnt ihr’s?
Also ich nicht. Vielleicht habe ich es auch verdrängt. Denn wenn ich versuche, mich in mein sechsjähriges Ich hineinzuversetzen, habe ich das unbestimmte Gefühl, dass das eine ganz schöne Plackerei war mit Mimi, Ami, Ossi, Sissi und wie sie alle hießen. Aber wie gesagt: Meine Erinnerung ist recht schwammig; eine nebulöse Hirnwolke, die nur Gedächtnisfetzen preisgibt.
Viel konkreter dagegen erinnere ich mich ans Lesenlernen meiner Zwillinge. Zumal ich mir das ganz anders vorgestellt hatte. Weil ich immer viel vorgelesen und meine Kinder schon im zarten Alter von vier Jahren mit abendlicher Harry-Potter-Lektüre beglückt hatte, dachte ich, Lesenlernen würde ihnen sehr leicht fallen. Der Meinung war ich bis zu jenem Tag, als ich ganz allein Lesepatin in der 1b war. Lesepatin bedeutet: Die Kinder kamen reihum zu mir in einen extra Raum und lasen mir Sätze vom Blatt vor. Ganz allein bedeutet: Niemand außer mir hatte sich an diesem Tag gemeldet, um Lesepate zu sein. So hatte ich äh… die Gelegenheit, allen 25 Kindern bei ihren Leseübungen zu helfen, und zwar jedem zwei, drei Minuten lang. Mit kurzen Pausen für die Wechsel dazwischen dauerte das geschlagene eineinhalb Stunden – und 25 Mal hörte ich die Geschichte vom kleinen Wurm…
Einser-Anwärter, Ganz-Gute und Ojemine-Leser
Dieser Tag im Jänner vor vier Jahren jedenfalls sollte mir die Augen öffnen: Es war später Vormittag, ich saß im warmen Speisesaal an einem der kleinen Tische und in der angrenzenden Küche klapperte irgendwer mit Geschirr. Es duftete herrlich nach Gemüsesuppe und Rindsbraten (zumindest versprach das die Speisekarte an der Tür) und reihum kamen nun die Erstklässler herein. Einer nach dem anderen nahm neben mir Platz und fing an, mir seine Lesekünste zu präsentieren mit Sätzen wie: Es war einmal ein kleiner Wurm. Er war neugierig und schaute aus der Erde heraus.
Bei vielen klappte es schon gut mit dem Lesen, bei manchen ausgezeichnet; andere taten mir leid, wie sie sich abmühten, das Geschriebene in flüssige Sprache zu verwandeln. Ganz automatisch und ohne es zu wollen, kategorisierte ich sie insgeheim in Einser-Anwärter, Ganz-Gute oder in Ojemine-Leser. Nach ein paar Kandidaten begann ich dann, deren Leseleistung mit jener meiner Söhne zu vergleichen. Sie waren zwar noch nicht an der Reihe gewesen, aber ich wusste ja, wie sie lasen. Und leider dämmerte es mir da langsam: Meine zwei gehörten eher zu Gruppe drei.
Bisher hatte ich mir keine Gedanken gemacht, ob meine Kinder im Lesen verglichen mit anderen gut abschnitten – immerhin machten sie Fortschritte, wenn auch kleine. Aber so im direkten Vergleich mit ihren Schulkameraden? Ich bekam Bauchweh. Als die beiden schließlich als die zwei letzten Schüler in den Saal kamen und sich freuten, mir ihre Sätze vorzulesen zu können, musste ich notgedrungen eine neue Kategorie erstellen: Jene der Grottenschlechten. Ich weiß, das klingt hart. Aber es war so: Sie hatten von allen mit Abstand die größten Probleme beim Lesen.
„Lesen ist blöd, lesen ist langweilig“
Im Nachhinein bin ich für diese Erfahrung dankbar. Es war der Startschuss für meine Auseinandersetzung mit Erstlese-Literatur. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich, es reicht, seinen Sprösslingen viel vorzulesen – der Rest passiert in der Schule. Freilich, wahrscheinlich kann auch das funktionieren. Bei uns war’s nicht so. Die Leseblätter, die sie von der Lehrerin fürs Üben zuhause bekamen, reizten sie in etwa so sehr wie eine Tafel Schokolade nach fünf Portionen Eis. Ihr einhelliger Tenor dazu lautete: „Lesen ist blöd, lesen ist langweilig.“
Also rauschten wir in die Bücherei und plünderten die Regale für Leseanfänger. Die dünnen Bücher mit der großen Schrift und einfachen Sprache hatte ich bis jetzt geflissentlich ignoriert (wen sollte das denn bitte begeistern?). Aber siehe da: Die Fußballgeschichten vom Franz oder die Ritter-Trenk-Bücher in Fibelschrift mit viel Luft zwischen den Sätzen und den wenigen Seiten fanden Anklang. Andere dagegen weckten kaum Interesse, aber zum Glück gab’s einiges an Auswahl.
Zuerst lasen wir die Bücher zusammen; abwechselnd jeder eine Seite. Nach ein paar Tagen griffen sie auch ohne mich dazu und wenn sie eine Geschichte zu Ende gelesen hatten, berichteten sie mir stolz davon. Als kurze Zeit später die Lehrerin den Kindern ANTOLIN näherbrachte, war – wie ich im Nachhinein feststellen sollte – der Grundstein für eine steile Lesekarriere gelegt.
Die Karotte vor der Nase
Antolin ist ein Leseförderprogramm in Form eines Quiz‘ und funktioniert recht einfach: Ein Buch lesen, anschließend dazu am Computer Verständnisfragen lösen und dafür Lesepunkte kassieren. Das entsprach ganz dem Geschmack meiner Jungs: Die Karotte muss vor der Nase baumeln, so geht’s am besten. Zumal man mit genügend Büchern eines Themas auch Orden verliehen bekommen konnte – in Bronze, Silber und Gold. Mehr Anreiz brauchte es nicht: Nach einigen Wochen waren die ausgeborgten Bücher ausgelesen und ab da musste ich ständig für Nachschub sorgen – ihr Lesehunger wurde von Tag zu Tag größer.
Bald waren es nicht mehr nur die Erstlese-Bücher für die 1. Klasse; sie verschlangen nach und nach auch jene für die 2. und 3. Schulstufe. Zum Drüberstreuen verleibten sie sich die vielen Pixi-Bücher ein, die aus ihrer Kindergartenzeit noch zuhause herum kullerten – das Erstlese-Fieber hatte sie voll erwischt. Die Folge war, dass das viele Üben ihre Lesekompetenz rasant ansteigen ließ. Wenn sie mir jetzt vorlasen, musste ich nicht nur einmal schnell meine Tränen wegblinzeln, weil ich so stolz darauf war, dass aus meinen kleinen Lesemuffeln richtige Leseratten geworden waren.
Und wenn jetzt wer Lust darauf hat, einen Blick auf die Vorschau meines neuen Erstlesebuchs zu werfen, der klicke hier. 😀
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